Vier Stunden auf der Leipziger Buchmesse. (#lbm14)

Auf zur Buchmesse. Schauen, was sich getan hat. Seit dem Umzug vom Alten Markt hinaus ins Gewerbegebiet am Rande der Stadt war der Weg zum Messegelände sehr weit. In diesem Jahr fühlt sich die Reise dank Fertigstellung des City-Tunnels erstmals ungefähr so an wie der Umstieg von Windows auf Mac. Ihr fragt, ob das eine Milliarde Baukosten wert war? Oh ja, hierfür, jawoll. Vorausgesetzt, die S-Bahn fährt auch. Was nicht immer der Fall ist. Später mehr dazu.

Bereits an der Messehaltestelle werden die ersten beschwingten Best Ager mit einer Flasche Sekt in den Händen gesichtet.
Verwunderlich, dass später keiner von ihnen in den aufgeheizten Messehallen-Verbindungsröhren zusammenklappen wird. Im Gegensatz zum kühlen Bahntunnel bricht hier die Sonne ungehindert ein, ähnliche Temperaturen kennt der Leipziger zu dieser Jahreszeit sonst nur aus der Sauna oder dem Gondwanaland.

Die Manga-Convention ist, das muss leider gesagt werden, zu grossen Teilen eine Verkaufsmesse für Anime-Ramsch. Trauben bilden sich an Ständen, die eingeschweisste japanische Convenience-Lebensmittel anbieten.
Zwei kleine Messebesucherinnen, vielleicht acht Jahre alt, jede trägt ein „Free Hugs“-Schild, trotten sichtbar übel gelaunt durch die Gänge.

Ob sich Verleger freuen, die ihren Stand gleich neben einer Crêpe-Bude einrichten durften? Wie sieht’s aus, Zeitbrücke-Verlag?

Die ARD regiert die halbe Halle 3. Jedes Kulturradio bekommt seinen eigenen Stand spendiert, was das wohl gekostet hat? (Gut, Figaro in pissgelb – oder würdevoller: vergilbt gelb – war vielleicht nicht ganz so teuer.)

Das öffentlich-rechtliche Battle um den imposantesten Messeauftritt gewinnt trotzdem das ZDF.

Halle 2, die mit den Bildungsverlagen, hier sind junge Menschen in erster Linie auf der Suche nach der Mangahalle.
Grosser Beliebtheit erfreuen sich die Glücksräder an den Ständen der Abrafaxe und der Bundesregierung. Ratterratterratter.

In der Messebuchhandlung. Aufgestapelt liegen Bildbände mit dem „Schönsten“ aus der DDR neben Verkaufsknallern wie “Leckereien mit Löffelbiskuit“ oder “Teufelsküche – Verboten gut und höllisch scharf“. So etwas versteht der gemeine Buchhändler unter Medienpräsentation nach Interessenkreisen.

Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels hat ein Kaffeehaus aufgebaut, mit echten Tassen und Gebäck. Leider, natürlich, sind alle Tische besetzt.
Im Pressebereich kostet der Latte unschlagbare 1,50 Euro, ansonsten gibt’s ihn messeweit für 3,80.

Hurra! An der LVZ-Autorenarena liegt die LVZ für Umme aus. Nix Drücker, nix Abo. Bravo, alte Tante!

Jemand sagt: „Was sich hier mit den Jahren wesentlich geändert hat ist, dass die Promoter mehr Bart tragen.“

Im Fachforum erklärt Leander Wattig den Vertretern der Generation Ü45 das Social Web. Zitat: “Wenn ich meinen PR-Artikel da reintippe, wird das in der Regel wenig Interaktion ergeben.“ Raunen in der Audience.

Gegen 14 Uhr läuft der Reporter in seinen ersten Promi. Andreas Dresen beim Neuen Deutschland.
Dann geht es Schlag auf Schlag: Nebenan bei der taz winkt Werner Schneyder ab, als seine Biographie runtergelesen werden soll. Und im Berliner Zimmer, da steht er, lebensgross: Roger Willemsen. Unser Mann im Bundestag.

Der lange Marsch zurück zur S-Bahn-Haltestelle wird mit dem Ausfall der S-Bahn belohnt. „Werte Fahrgäste, aufgrund einer unvorhergesehenen Störung kann dieser Zug seine Fahrt auf unbestimmte Zeit nicht fortsetzen. Wir empfehlen Reisenden Richtung Hauptbahnhof den Umstieg in die Strassenbahn Linie 16.“
Die Linie 16 der LVB besteht aus einer rappelvollen Waggonreihe Modell Tatar. „Gibt’s sonst nur noch in Osteuropa“, verkündet ein grauer Sachse stolz.
Ihr fragt, ob das eine Milliarde Euro wert war?