Kategorie: Allgemein

  • Während Fussballmeisterschaften geschehen seltsame Dinge.
    Einige schreibe ich in den kommenden Wochen mit.

    Mittwoch, 21. Mai.
    Auf dem Boden der Zehnerpackung Milchschnitte liegt ein Faltblatt. Es entpuppt sich als „Unser Team“-Poster. Bei zwanzig Fussballern höre ich auf zu zählen. Was soll der Quatsch? Wie jeder weiss, besteht eine Mannschaft aus elf Spielern, vielleicht noch ein paar Zerquetschten für die Reservebank, aber mehr als zwanzig?
    Interessant ist auch, dass das Faltposter auf niemanden einzahlt, weder Milchschnitte- noch Ferrero-Logo sind abgebildet. Da war wohl die Begeisterung gross.

    Freitag, 30.Mai.
    Der Fernsehzeitschrift ist ein WM-Planer beigeheftet. Sicherheitshalber reisse ich ihn raus, damit er mich nicht stört, lege ihn jedoch nur zur Seite, weil er notfalls verrät, wann die Spiele stattfinden. Gut zu wissen bei der Abendplanung in diesem Sommer.

    Freitag, 6. Juni.
    Was muss ich lesen? Schwarz-rot-goldene Autofahnen sind out. Der neuste Schrei sind Stretchstoffe, die man über die komplette hintere Seitenscheibe zieht, um so „auf breiter Fläche Flagge“ zu zeigen. Irre. Igitt.
    Aus dem Briefkasten plumpst eine Bildzeitung. „24Mio! Högschde Auflage.“ Beim ersten Lesen gar nicht verstanden. Wahrscheinlich eine Anspielung auf den Dialekt eines mir nicht bekannten Fussballers.

    Samstag, 7. Juni.
    Tagesschau-Eilmeldung beim Mittagessen. Oje, was wohl passiert ist? „Reus fällt für die WM aus.“ Wer zum Teufel ist Reus? Ich höre zum ersten Mal von diesem Mann.
    Die Newsseiten schläfern mich mit der Info ein, dass die Fussball-Nationalmannschaft nach Brasilien unterwegs ist. Zum Glück nicht davon geträumt.

    Sonntag, 8. Juni.
    Die Deutschen sind in Brasilien gelandet, aka „DFB-Team erreicht Brasilien“. Hurra. Beides Top-Meldungen, noch vor dem Frühstück. Nicht nur bei den Ballersendern, auch in den MDR Info-Nachrichten (und bei Flux) belegt tatsächlich eine Null-Info den ersten Platz.
    Die Sendung mit der Maus fällt heute aus. Zumindest für mich, denn Ralph Caspers besucht Brasilien.
    Bis zum Abend wird auf sämtlichen Kanälen immer wieder aufs Neue mitgeteilt, dass die deutsche Mannschaft in Brasilien angekommen ist. Wie lange kann eine Ankunft dauern? Die Antwort: Einen ganzen Sonntag lang.

    Mittwoch, 10. Juni.
    Lese, dass die Bundestagsabstimmung über den Mindestlohn am 4. Juli stattfinden soll. Mein WM-Planer (!) verrät: Es ist auch der Tag das Viertelfinales. Erinnert sich noch jemand an die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent während der WM 2006?

    Wird fortgesetzt.

  • „Der Umgang mit der trockenen Materie der Nachrichten nahm sie geistig so in Anspruch, so daß sie völlig vergaß, in ihrem sonst recht lieblichen Antlitz noch einige entspannte Züge zu pflegen.“

  • Auf zur Buchmesse. Schauen, was sich getan hat. Seit dem Umzug vom Alten Markt hinaus ins Gewerbegebiet am Rande der Stadt war der Weg zum Messegelände sehr weit. In diesem Jahr fühlt sich die Reise dank Fertigstellung des City-Tunnels erstmals ungefähr so an wie der Umstieg von Windows auf Mac. Ihr fragt, ob das eine Milliarde Baukosten wert war? Oh ja, hierfür, jawoll. Vorausgesetzt, die S-Bahn fährt auch. Was nicht immer der Fall ist. Später mehr dazu.

    Bereits an der Messehaltestelle werden die ersten beschwingten Best Ager mit einer Flasche Sekt in den Händen gesichtet.
    Verwunderlich, dass später keiner von ihnen in den aufgeheizten Messehallen-Verbindungsröhren zusammenklappen wird. Im Gegensatz zum kühlen Bahntunnel bricht hier die Sonne ungehindert ein, ähnliche Temperaturen kennt der Leipziger zu dieser Jahreszeit sonst nur aus der Sauna oder dem Gondwanaland.

    Die Manga-Convention ist, das muss leider gesagt werden, zu grossen Teilen eine Verkaufsmesse für Anime-Ramsch. Trauben bilden sich an Ständen, die eingeschweisste japanische Convenience-Lebensmittel anbieten.
    Zwei kleine Messebesucherinnen, vielleicht acht Jahre alt, jede trägt ein „Free Hugs“-Schild, trotten sichtbar übel gelaunt durch die Gänge.

    Ob sich Verleger freuen, die ihren Stand gleich neben einer Crêpe-Bude einrichten durften? Wie sieht’s aus, Zeitbrücke-Verlag?

    Die ARD regiert die halbe Halle 3. Jedes Kulturradio bekommt seinen eigenen Stand spendiert, was das wohl gekostet hat? (Gut, Figaro in pissgelb – oder würdevoller: vergilbt gelb – war vielleicht nicht ganz so teuer.)

    Das öffentlich-rechtliche Battle um den imposantesten Messeauftritt gewinnt trotzdem das ZDF.

    Halle 2, die mit den Bildungsverlagen, hier sind junge Menschen in erster Linie auf der Suche nach der Mangahalle.
    Grosser Beliebtheit erfreuen sich die Glücksräder an den Ständen der Abrafaxe und der Bundesregierung. Ratterratterratter.

    In der Messebuchhandlung. Aufgestapelt liegen Bildbände mit dem „Schönsten“ aus der DDR neben Verkaufsknallern wie “Leckereien mit Löffelbiskuit“ oder “Teufelsküche – Verboten gut und höllisch scharf“. So etwas versteht der gemeine Buchhändler unter Medienpräsentation nach Interessenkreisen.

    Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels hat ein Kaffeehaus aufgebaut, mit echten Tassen und Gebäck. Leider, natürlich, sind alle Tische besetzt.
    Im Pressebereich kostet der Latte unschlagbare 1,50 Euro, ansonsten gibt’s ihn messeweit für 3,80.

    Hurra! An der LVZ-Autorenarena liegt die LVZ für Umme aus. Nix Drücker, nix Abo. Bravo, alte Tante!

    Jemand sagt: „Was sich hier mit den Jahren wesentlich geändert hat ist, dass die Promoter mehr Bart tragen.“

    Im Fachforum erklärt Leander Wattig den Vertretern der Generation Ü45 das Social Web. Zitat: “Wenn ich meinen PR-Artikel da reintippe, wird das in der Regel wenig Interaktion ergeben.“ Raunen in der Audience.

    Gegen 14 Uhr läuft der Reporter in seinen ersten Promi. Andreas Dresen beim Neuen Deutschland.
    Dann geht es Schlag auf Schlag: Nebenan bei der taz winkt Werner Schneyder ab, als seine Biographie runtergelesen werden soll. Und im Berliner Zimmer, da steht er, lebensgross: Roger Willemsen. Unser Mann im Bundestag.

    Der lange Marsch zurück zur S-Bahn-Haltestelle wird mit dem Ausfall der S-Bahn belohnt. „Werte Fahrgäste, aufgrund einer unvorhergesehenen Störung kann dieser Zug seine Fahrt auf unbestimmte Zeit nicht fortsetzen. Wir empfehlen Reisenden Richtung Hauptbahnhof den Umstieg in die Strassenbahn Linie 16.“
    Die Linie 16 der LVB besteht aus einer rappelvollen Waggonreihe Modell Tatar. „Gibt’s sonst nur noch in Osteuropa“, verkündet ein grauer Sachse stolz.
    Ihr fragt, ob das eine Milliarde Euro wert war?

  • Seit einigen Wochen greift die Zensur in meiner Timeline, genauer gesagt: die Sportzensur. Nachdem es mir während der olympischen Spiele und vor allem an den Wochenenden zunehmend schwerer fiel, die beim Wegscrollen von Medaillen und Bundesligaergebnissen verschwendete Lebenszeit nur mit einem Schulterzucken zu quittieren (selbst seriöse Nachrichtenredaktionen scheinen ihr Stammpersonal an Spieltagen komplett gegen verhinderte Ballschubser auszutauschen, die derart alleingelassen absolut kein Halten mehr kennen, das geht bis hin zum Rauspuschen von Eilmeldungen), musste Abhilfe her. Man wird ja schliesslich nicht jünger.
    Die Herausforderung lag darin, mit möglichst wenigen Filterbegriffen die Welt des Leders vollständig aus dem Leben auszublenden, ohne Wichtiges zu verpassen.

    Falls Ihr ebenfalls leidet (und ich weiss, es gibt EUCH da draussen), kommt hier nun Hilfe in Form der Liste neuester Stand:

    Bundesliga, Liga, Fussball, Stadion, Spieltag, Hsv, Bvb, Fc, Pokal, Handball, Champions, Tooor, Trainer, Olymp, Poschmann, Beckenbauer, Fifa, Nationalmannschaft, Sport, Dfb, Vfl, Magath, Borussia, Hockey, Luhukay, Leverkusen, Halbzeit, Klinsmann, Jogi, 11freunde_de, Arsenal, Tribüne, Elfer, Elfmeter, Schalke, Finale, Hertha (optional).

    Die Fussballweltmeisterschaft im kommenden Sommer wird meinen Ehrgeiz sicher weiter anstacheln.