Kategorie: Allgemein

  • Kabel

    Was mein Kabelanbieter gerade dem gesamten Häuserblock mit einem bald vierzig Stunden währenden Totalausfall beweist (mal ausgeklammert, wie mies ein Kundeninformationssystem aufgestellt sein kann und dass Servicetechniker grundsätzlich auf alle Zeitfenster pfeifen, auf ALLE, und das IMMER): wie überflüssig so ein Kabelfernsehanschluss ist. Die Livestreams und Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind mittlerweile ganz gut aufgestellt, bei den Privaten passiert kaum noch was, wie ein Überfliegen der Festplatte zeigt. 
    Wenn morgen so kurz vor’m Fest den Elektronikmärkten die DVB-T-Antennen wie Freibier aus den Vitrinen gerissen werden und ein ganzes Stadtviertel nach zehn Tagen Fresskoma zufrieden von den Sofas plumpst und denkt: Ging doch auch ohne Gebrüll in HD+. Das wäre was.

  • Der schlimme Zustand der Landstrassen, unberechenbar und löchrig, hat uns davon absehen lassen, sofort am Abend der Maueröffnung auf unseren Motorrädern bis nach Berlin zu knattern. Die Nachtstunden des November ’89 sind in meiner Erinnerung trüb und neblig.
    Entsprechend grau und eng kam mir Westberlin später vor.

    Was waren wir neugierig! Als ich zum ersten Mal auf dem Kurfürstendamm stand, war kaum ein Durchkommen. Die Menschen reckten sich nach Hotdogs, die von Lastern herunter verteilt wurden. Alle lachten, die Westberliner winkten uns zu, wir winkten zurück. Mir war die Kauzigkeit unserer Kleidung überaus bewusst, aber egal, denn wir waren viele.
    In einem kleinen, überlaufenen Buch- und Schreibwarenladen kaufte ich mir „The Fabulous Furry Freak Brothers, Wunderwarzenschwein und andere Stories aus den Sechzigern“. Ein Klassiker. Und eine Wahl, auf die ich heute noch stolz bin.

    Vielleicht hole ich den Band heute Abend mal wieder aus dem Schrank und lese ein wenig.

  • Runterwohnen.

    „Die Gründe für den Bauboom in Leipzig“, MDR.
    Beim Ansehen des Teaserbilds noch gedacht: Treffendes Symbolfoto. Das „Autsch“ kam dann beim Runterscrollen, der Herr im Anzug ist nämlich echt.

    „Dokumentarfilm im Ersten: Wem gehört die Stadt?“, ARD-Mediathek.
    Nächtliche „Eventtouren“ für kaufwillige Investoren. Dämmen, Fenster austauschen, anschliessend hundert Prozent mehr Miete fordern.

    Jedes Haus, in dem ich bisher gewohnt habe, hat während meiner Mietzeit den Besitzer gewechselt. Jedes.
    Allerdings waren nach dem Verkauf nie Sanierung oder Mieterhöhung mein Problem, sondern das, ich nenne es mal: Runterwohnen.

    Zum Beispiel jenes Haus, das bei meinem Einzug noch zwei älteren Herren aus dem Norden gehörte. Zwei Brüdern, sie hingen an dem Gebäude, spielten schon als Kinder hier, bis die SED an ihre Türe klopfte und die Familie nach Westdeutschland auswanderte. Dann kam die Wende, die Hütte ging zurück. Sentimental wie sie waren, legten die Beiden, obwohl räumlich weit entfernt, grossen Wert darauf, dass sich ihre Mieter wohl fühlten. Im Hausflur hingen Bilder, Weihnachten gab es handgeschriebene Karten, ein allein wohnender Alkoholiker wurde als Hausmeister durchgeschliffen. Nie lagen Werbeprospekte im Dreck, Scharten waren schnell ausgebessert, Flecken fix überpinselt, das Treppenhaus stets gebohnert.

    Bis dann eines Tages eine stattliche Ansammlung weithergereister Männer in teuren Anzügen durch’s Treppenhaus schritt. Verwalter eines Immobilienfonds waren auf der Suche nach lohnendenden Anlagen in unser Viertel hinabgestiegen. Und so ging unser Haus wenig später in einer Investitionsmasse für Steuersparer auf, mit Adresse auf den Inseln.

    Unmittelbar nach dem Besitzerwechsel verlor mein Nachbar, der Alkoholiker, seinen Job als Hausmeister. Hausmeisterarbeiten erledigte fortan eine straff aufgestellte Facilityfirma. Zweimal pro Woche die Mülltonnen vors Tor rollen, Freitags den Flur wischen, ansonsten nur auf Ticket aktiv werden, mit Vorlauf von Wochen, versteht sich.
    Die bis dahin leerstehenden Gewerberäume in der ersten Etage wurden an einen Handwerkerbetrieb vermietet, dessen erste Amtshandlung (ungelogen) das Aufstellen eines riesigen Aschenbechers auf dem Innenhof war, um den sich wochentags von 7 bis 4 polternde Blaumänner scharten. Von da an glich das Haus einem Taubenschlag.

    Die Fluktuation der Mieter erhöhte sich. Grüssen wurde die Ausnahme. Schuhabdrücke an den Wänden. Werbeprospekte im Dreck. Seltsame Menschen im Hausflur. Nächtliches Fummeln an den Schlössern. Ein Wasserschaden. Der arbeitslos gewordene Alkoholiker stürzte ab und ging in seiner Wohnung zu Grunde, schlimme Geschichte.

    Als irgendwann alle die ich kannte fort waren, zog schliesslich auch ich weg.

  • Unser Service für Sie.

    „Termin zur Umstellung Ihres DSL-Anschlusses“ steht in grossen Lettern auf dem Briefumschlag, und natürlich ist das eine kleine Lüge, drinnen kein Sterbenswörtchen mehr, vonwegen Termin. Stattdessen viel Werbesprech, es locken „zukunftssichere Anschlusstechnik“, „neueste WLAN-Technik“ und, halleluja, 300 Mbit!
    Ich bin eigentlich sehr zufrieden mit meinem Anschluss, er funktioniert seit Jahren (spuckt Internet aus, wenn ich was brauche), aber nach Lektüre dieses Briefes schwant mir, dass die guten Zeiten bald vorbei sein könnten. Mein kleines Glück steht auf wackligen Füsschen, oder genauer: kommt aus dem Router geflogen, der „rechtzeitig vor der Umstellung“ ausgetauscht werden soll. „In wenigen Tagen“ schon! Mein Stündlein hat geschlagen.
    „In wenigen Tagen“, diese ominöse Zeitspanne umfasst mittlerweile vier Wochen. Passiert ist seitdem genau: nichts.
    Es spuckt weiter Internet.

    Ich bin nicht gekommen, um mich zu beschweren.